- Details
Du warst und bist noch immer ein bekannter Kinderarzt. Wie bist du zu dem Beruf gekommen? Wusstest du schon immer, dass du in diese Richtung möchtest?
Während des Medizinstudiums wurde ich durch die tollen Vorlesungen einer meiner Professoren dazu animiert. Er konnte einen sehr für die Materie begeistern, weshalb ich mich dann während des Studiums entschied, mich auf die Kindermedizin zu spezialisieren.
Hattest du ein schönstes Erlebnis während deiner beruflichen Karriere?
Ich könnte kein einzelnes Highlight „herauspflücken“, denn ich hatte viele schöne Erlebnisse. Natürlich gab es auch viele traurige Momente. In der Kinderneurologie hatte ich oft mit Kindern mit Beeinträchtigungen zu tun, aber auch mit wunderbaren Eltern, die nur schon dafür unglaublich dankbar waren, dass man sie begleitete und zum Beispiel in versicherungstechnischen Fragen unterstützt hat.
Du bist immer noch sehr engagiert in diesem Bereich. Wie sieht dein Engagement heute aus?
Ich bin seit acht Jahren pensioniert, doch ich war nach der Pensionierung weiterhin angefressen von dem Fach. Dadurch, dass ich nicht chirurgisch tätig war, sondern „mit em Hirni“, konnte ich ein Stück weit weiterhin mitwirken. Heute begleite ich Kolleginnen und Kollegen, welche sich zu Kinderneurologen ausbilden lassen wollen mit einem Kurs und anhand von Diskussionen, und ich versorge sie mit aktuellen Artikeln. Vor über zehn Jahren wurde ich angefragt, ob ich das machen möchte. Momentan begleite ich eine Gruppe in der Deutschschweiz von ungefähr acht Personen, und da ich von früher noch Kontakt habe mit Leuten aus dem Süddeutschen Raum, begleite ich auch noch eine Gruppe von zehn Personen in Konstanz.
Und letzte Woche warst du in Salzburg?
Genau, ich war in Salzburg. Vor zwanzig Jahren war ein Kollege vom Kinderspital Salzburg für ein Jahr in Zürich in unserer Abteilung zur Weiterbildung und seither habe ich regelmässigen Kontakt mit ihm. Heutzutage ist das ja einfach mit E-Mail und allen anderen technischen Möglichkeiten. Einmal im Jahr gehe ich nach Salzburg und bespreche mit ihm Patienten, über welche er sich gerne austauschen möchte. Dazu haben wir ein Seminar über ungelöste Diagnosen mit anderen österreichischen Kolleginnen und Kollegen. Für mich ist das sehr anregend und so weit ich kann, trage ich dort etwas bei. Deshalb möchte ich auch in der Literatur des Gebietes auf dem neuesten Stand sein und lese relativ viel. Denn, wenn ich mich beteilige, habe ich den Anspruch zu wissen, was heutzutage läuft. Heute kann man sich viel Fachliteratur elektronisch beschaffen.
Einerseits möchte ich noch ein bisschen nützlich sein, andererseits ist es gut für meine grauen Hirnzellen, und ich habe ja sowohl die Zeit als auch die Möglichkeit dazu. Irgendwann wird auch das zu einem Ende kommen, aber momentan habe ich noch Freude daran.
Hast du neben deiner medizinischen Tätigkeit noch andere Hobbies?
Mein Hobby ist das Fotografieren, vor allem im Zoo. Früher war ich einige Male in Afrika, heute gehe ich mit meiner Frau gerne in verschiedene Zoos, in der Schweiz, aber auch in Deutschland. Dort fotografiere ich die Tiere und mache jedes Jahr einen Kalender, den ich meinen Freunden und Verwandten schenke. Jeder Kalender hat ein Thema, zum Beispiel seltene Zootiere. Manchmal fotografiere ich auch verschiedene Pferde- oder Kuharten, oder dann gibt es Kalender nur mit Affen oder Antilopen.
Warst du von Kindesbeinen an Mitglied des Boltshauser Vereins?
Mein Vater, Jakob, war früher einmal Präsident des Vereins. Ich erinnere mich, dass er mich als Junge an eine Versammlung mitnahm, die in Ottoberg stattfand. Wir sassen auf gewöhnlichen Bänken und es waren noch nicht sehr viele Leute dabei, vielleicht etwa dreissig. Danach bin ich hin und wieder mit meinen Eltern an die Versammlungen gegangen und später dann alleine, mit meiner Frau und mit meinen Kindern. Ich war fast immer dabei an den Versammlungen, ausser wenn ich mal im Ausland war.
Jetzt bist du immer noch aktiv als Beisitz dabei, was verbindet dich mit dem Verein?
Als Beisitz habe ich eine eher kleine Rolle, aber ich finde es eine tolle Sache, emotional und historisch. Als Boltshauser und Thurgauer fühlt man sich dadurch mit der Region verbunden.
*
*
*
- Details
Du hast an der ETH den Doktor in Physik gemacht, hast aber auch die Pilotenausbildung absolviert. Warum hast du dich am Ende für einen Werdegang im Bereich deines Studiums und gegen den Pilotenberuf entschieden?
Ich hatte das Physikstudium bereits beendet und dachte, dass mir der Pilotenjob irgendwann verleiden könnte. Vor allem während den Nachtflügen wäre es mir wahrscheinlich langweilig geworden. Ausserdem hatte ich mit Rückenproblemen zu kämpfen.
Du bist schon seit vielen Jahren im Boltshauser Verein dabei. Seit langem belegst du auch das Amt des Aktuars. Hat sich in dieser Zeit etwas grundsätzlich verändert?
Hauptsächlich das Internationale, heutzutage können viel mehr Leute ausserhalb der Schweiz und sogar ausserhalb Europa teilhaben. Das wurde natürlich vor allem durch die neuen Medien möglich, durch das Internet und durch Facebook. Auch die Informationen, welche wir früher als Zeitungen verschickt haben, sind heutzutage auf Facebook zugänglich.
Vor einigen Jahren wart ihr zu einer Hochzeit eines Boltshausers in Spanien eingeladen. Wie kam es dazu?
Wir besuchten ihn und seine Frau als wir 2011 in die USA reisten, kennengelernt haben wir ihn über Dick Jones. Er hat uns dort eingeladen und uns später auch in der Schweiz besucht. Er hat uns dann als Verwandte zu seiner Hochzeit eingeladen, welche in Spanien stattfand, da seine Frau Spanierin ist. Er selbst hat sich schliesslich auch mit ihr in Barcelona niedergelassen. Als Softwareingenieur war es ihm möglich zu arbeiten, wo immer er wollte.
Sowohl privat als auch geschäftlich bist du oft unterwegs. Hattest du jemals ein interessantes Erlebnis auf einer deiner geschäftlichen Reisen, das dir speziell in Erinnerung geblieben ist?
Das letzte Mal als ich in Guatemala war, das war letztes Jahr, waren wir bei einem Kunden, um ihm Maschinen zu verkaufen. Während des Gesprächs erwähnte ich, wie sehr mir Guatemala gefiel und dass ich mich ein wenig informiert und etwas von einer berühmten Inkastätte gelesen hatte. Der Kunde meinte dann, wenn ich Lust hätte, könnten wir am nächsten Tag hingehen, er würde einen Helikopter organisieren. Er rief gleich das Helikopterunternehmen an, welches jedoch meinte, wir seien zu viele Leute und deshalb zu schwer für einen Helikopter. Also flogen wir mit einem Linienjet hin und er lud uns ein, die Pyramiden zu besuchen. Es wurde ein ganzer Tagesausflug daraus, denn der Hin- und Rückflug dauerte bereits jeweils 45 Minuten. Das war wirklich ein tolles Erlebnis, solche Dinge kommen natürlich nicht alle Tage vor.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Vor allem Gesundheit. Dass ich gesund und mobil bleibe.
*
*
*
- Details
Warst du schon einmal in der Schweiz bevor du wusstest, was für eine grosse Familie du hier hast?
Ich kann mich nicht erinnern wie alt ich war, als ich herausfand, dass ich Schweizer Wurzeln habe, aber ich war auf jeden Fall sehr stolz darauf. Das erste Mal kam ich im Jahre 1959 in die Schweiz, damals war ich etwa 24 Jahre alt. Ich flog nach Zürich, wo ich die Schwester meines Grossvaters (Jakob Boltshauser) besuchte. Ich kannte damals noch keine Boltshausers, denn Jakob’s Schwester und ihre Familie hiessen nicht mehr Boltshauser. Ich kann mich an ein Gespräch mit einem Cousin erinnern, der sagte, er würde schon immer so gerne einmal in die USA kommen. Leider hat es nie funktioniert und er begann sogar ein bisschen zu weinen, denn es war wirklich ein grosser Wunsch von ihm gewesen.
Wie hast du anfangs über dieses Land gedacht? Denkst du, es gibt grosse Unterschiede zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten?
Es gibt einige Unterschiede, aber es sind gute Unterschiede. Ich bin, wie die meisten Amerikaner, immer wieder beeindruckt davon, wie viele Sprachen ihr Schweizer sprecht. In Amerika sind wir sehr faul im Lernen von Sprachen. Kennt ihr den Sprachenwitz?
Wisst ihr, wie man jemanden nennt, der drei oder mehr Sprachen spricht? Man nennt ihn einen Polyglotten.
Wisst ihr auch, wie man jemanden nennt, der zwei Sprachen spricht? Das ist ein Zweisprachiger.
Und wie nennt man die Leute, die nur eine Sprache sprechen? Man nennt sie Amerikaner. (Lacht)
Wir Amerikaner scherzen gerne darüber, dass wir nur eine Sprache sprechen. Abgesehen davon sehe ich keine zu grossen Unterschiede. An den Versammlungen in der Schweiz habe ich immer das Gefühl, dass mir die Leute sehr ähnlich sind, nur dass sie eine andere Sprache sprechen.
Wann und warum wanderten die Boltshausers nach Amerika aus?
Mein Grossvater Jakob kam Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika. Soviel ich weiss, war sein Vater Schumacher und da die Familie nicht genug Geld für eine Ausbildung Jakobs hatte, ging er nach Amerika. Er war etwa 17 oder 18 Jahre alt, als er mit einem Onkel nach New York fuhr, welcher ihn ganz auf sich allein gestellt in der grossen Stadt zurückliess. Dann kam er nach Kalifornien, wahrscheinlich mit dem Zug. Damals dachte man, dass es in Kalifornien mehr Möglichkeiten gibt. Auch Jakob verdiente gutes Geld hier und heiratete schliesslich eine Schwedin. Zwei Mal kam er zurück in die Schweiz, per Zug und per Schiff. Ich habe bereits versucht herauszufinden, ob noch mehr Leute mit Namen Boltshauser zu dieser Zeit in die USA ausgewandert sind, doch ich konnte niemanden aufspüren. Jakob ist der einzige, von dem ich weiss.
Als du den Boltshauser Verein entdeckt hast, gab es noch kein Internet. Wie bist du mit dem Verein in Kontakt gekommen?
1985 machte mein Sohn einen Austausch an einem College in Oxford, England. Er reiste auch ein bisschen umher, also trafen Alicia und ich ihn in Zürich. Dem Manager unseres Hotels erzählten wir, dass wir auf der Suche nach meinen Schweizerischen Wurzeln sind. Als ich ihn fragte, ob er jemanden mit Namen Boltshauser kennt, verneinte er, erwähnte jedoch einen kleinen Ort, der so heissen könnte. Er gab mir ein Telefonbuch und tatsächlich fand ich darin den Ort Boltshausen. Der Manager erzählte, es sei etwa 50 Kilometer von Zürich entfernt, also fuhren wir dorthin und in der Region Weinfelden sahen wir plötzlich ein Schild, auf dem „Boltshausen“ stand. Wir waren sehr aufgeregt, als wir ins Dorf hinein fuhren. Wir sahen den Ottoberg und suchten nach einem Ort, an dem wir die Möglichkeit hätten, Leute kennen zu lernen. Wir betraten also ein Restaurant, und glücklicherweise sprach der Besitzer Englisch. Er zeigte uns die Umgebung und erzählte, dass sich die Familie Boltshauser alle paar Jahre in seinem Restaurant trifft. Nachdem wir gegangen waren, berichtete er den Boltshausers von uns und so kamen wir ins Spiel.
Ihr habt eure eigenen Boltshauser-Versammlungen in Kalifornien. Wie oft trefft ihr euch?
Wir hatten nie Versammlungen gehabt, bis ich 1988 aus der Schweiz zurückkam. Ich veranstaltete eine Versammlung bei mir zu Hause, da alle von meinem Besuch in Boltshausen hören wollten. Wir feierten ein grosses Fest und den Leuten gefiel das. Seither kommen wir alle vier bis fünf Jahre zusammen, meistens bei jemandem zu Hause. Diesen September hatten wir eine Versammlung in einem kleinen Ort in der Nähe von San Jose, Kalifornien. Wir treffen uns, wenn jemand Lust hat etwas zu organisieren oder wenn Besuch aus der Schweiz kommt.
Wie würdest du deine Beziehung zum Boltshauser Verein und zu deinen Schweizerischen Wurzeln beschreiben?
Die meisten Amerikaner sind sehr stolz auf ihre Herkunft, es gibt sogar Vereine, wie zum Beispiel „Swiss American Clubs“. Alicia und ich haben eure Versammlungen in der Schweiz immer gemocht. Wir freuen uns jedes Mal, zu kommen und wir schätzen es sehr, dass wir immer so nett empfangen wurden. Für uns Amerikaner ist das ein tolles Erlebnis. Wir haben grosses Glück, Verwandte in der Schweiz zu haben, und diese auch besuchen zu können, denn das kann nicht jeder. Wir sind auch sehr stolz darauf und erzählen den Leuten gerne von dieser schönen Verbindung. Wir freuen uns immer, euch zu sehen. Wir sind uns in vielen Dingen ähnlich, aber eben doch so unterschiedlich.
*
*
*
- Details
Liebe Monika,
Fiel es dir schwer, dich von deiner Herzensaufgabe im Boltshauser Verein zu trennen? Welches Gefühl löste das in dir aus?
Als ich vor Jahren für diese Aufgabe angefragt wurde, war ich Mega stolz und dachte: WOW! Ich lebte damals noch in Brasilien. Dann packte ich die Chance und bin mit vollem Elan hinein - begleitet von einem tollen Team. Als mein Vater Alex Präsident war, lag die meiste Verantwortung auf seinen Schultern. Ich wollte vermehrt als Team arbeiten und das war uns gelungen.
Wie war das Gefühl als diese Ära zu Ende ging?
Der Mensch ist ersetzbar! Als ich mich mit meiner Nachfolge auseinandersetzte, hatte ich vor allem auf Facebook junge Boltshauser angefragt, die öfters mal Interesse zeigen. Vereine leben nur weiter mit dem Nachzug von jungen Leuten. Es war ein tolles Gefühl für mich, den Boltshauser Verein in gute, jüngere Hände weiterzugeben.
Jetzt, wo du wieder mehr Zeit hast, möchtest du dir einen langen gehegten Traum erfüllen?
(Sie lacht) Mein Traum war es, mich als Pensionierte vermehrt als Freiwillige im sozialen Bereich zu engagieren Auch habe ich nun mehr Zeit fürs Fotografieren und Lesen, zudem liegen mehr Ausflüge, Wanderungen und Besuche mit meinem Mann drin. Es ist schön, einen halben Tag frei zur Verfügung zu haben.
Mein Traum ist somit in Erfüllung gegangen. Ich möchte aber nicht behaupten, dass ich jetzt mehr Zeit habe, vielleicht ein wenig mehr.
Dein und Daniels Engagement als Missionare in Brasilien ist weit über die Boltshauser Familie hinaus bekannt. Welche Kontakte pflegt Ihr noch nach Südamerika?
Sehr viele! Daniel und ich mussten aufteilen bei den Whatsapp Kontakten. Hauptsächlich haben wir mit ehemaligen Strassenjungs, Mithelfer und Freunden Kontakt. Brasilien ist unsere zweite Heimat. Auch habe ich nun mehr Zeit fürs Fotografieren und Lesen, zudem liegen mehr Ausflüge, Wanderungen und Besuche mit meinem Mann drin. Es ist schön, einen halben Tag frei zur Verfügung zu haben.
Haben Daniel und Du vor Brasilien in nächster Zeit zu besuchen?
Wahrscheinlich im nächsten Jahr. Dann ist es 20 Jahre her, dass wir nach dem 17-jährigen Aufenthalt zurück in die Schweiz kamen.
Ich durfte dich als frohe und glückliche Person kennenlernen. Was denkst du ist der Schlüssel, um glücklich zu sein?
Glück bedeutet für mich die Nähe Gottes, die Familie, gute Beziehungen pflegen und mit Tieren Kontakt haben. Unser Hund wedelt immer, ob ich froh oder traurig bin. Das tut gut. Glück ist wie ein Feuer im Herzen das nicht gelöscht werden kann, auch nicht durch Schicksalsschläge und gesundheitliche Probleme.
Welche Ziele verfolgst du nun?
Mein Ziel ist es, flexibel zu bleiben. Wie ein Baum, gut verwurzelt und oben beweglich.
Was wünscht du dem Boltshauser Verein für die Zukunft?
Ähnlich wie meine persönlichen Ziele. Als Verein sind wir gut verwurzelt. Wir haben eine beeindruckende Geschichte und gleichzeitig ist es heute wichtig, flexibel zu bleiben, um dadurch den jungen Boltshausern einen Anreiz für den Verein zu bieten.
Ich habe noch einen geheimen Wunsch. Ich bin gespannt, ob dieser in Erfüllung geht: Heinrich, mein Grossvater, lebte lange Zeit in Manila. Seine erste Frau war Amerikanerin. Als sie ihren kranken Vater in den USA besuchten wollte, kam das Schiff an, aber die Frau war verschollen. Wer weiss, was da passiert ist. Das würde ich gerne noch herausfinden.
Monika Bertschi-Boltshauser (ehem. Präsidentin), Flawil Herbst 2019